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Spiritualität und Schlampenalltag


Als – astrologische -Jungfrau bin ich natürlich ordentlich- nur ist das von außen nicht unbedingt gleich zu bemerken. Ich halte eher innere Ordnung.

In meinem Haus sieht man das gar nicht. Sah man das nicht, bis vor kurzem, bis die große Wende kam, das magische Wunder- doch davon später. Vorerst bestaunte ich die Wohnungen meiner Freundinnen. Wie machen die das? Hier plätschert ein kleiner Feng- shui- Brunnen, dort glänzt ein Glasregal mit einzelnen hübschen Steinen. Nichts liegt rum. Alles ist sauber.

Bei mir zuhause dagegen herrschte eher das Prinzip „Sheng Pfui“. Es gab keine Ecke, in der nicht eigentlich alles war. Mein innerer Reichtum an Systemen und Struktur spiegelte sich dort nicht wieder. Ich muss sogar sagen: das automatisches Verknüpfen verschiedener Phänomene und die Phantasie, mit der ich geschlagen bin, war der Haus- Ordnung erheblich im Weg. Eher philosophierte ich über die Synchronizität die sich im Verschwinden meiner sämtlichen Brillen bei gleichzeitigen Auftauchen des Steuerbescheides unter der Fußmatte im Auto manifestiert, als dass ich diese Phänomene auch nur annähernd in den Griff bekommen hätte.

Was habe ich nicht alles versucht !

Schon lange bevor in den Medien von „Messies“ und „Indigo-Kindern“die Rede war, hatte mein Psychotherapeut diese Phänome bei mir erkannt und als „Arithmastenie“ in einen größeren hirnphysiologischen Zusammenhang gestellt. Meine Hinhälften – so erfuhr ich aus professionellen Munde, seien so stark vernetzt, dass ich keine von beiden isoliert einschalten könne- was zum aufräumen und rechnen jedoch unerlässlich sei. Es ist wahr, dass ich schon als Kind weder Ordnung halten noch kopfrechnen konnte.

Es half ein wenig, dies zu wissen.“ Arithmastenikerin“ is something to be…und schließlich angenehmer zu sagen als „ Schlampe“ oder „Schluderjette“. Ich schrieb Gedichte und betete in Schwitzhütten, zelebrierte Vollmond – und Sonnenwendrituale um mich innerlich auszurichten und das Innen und Außen zu verbinden bzw. das Linke und das Rechte voneinander zu scheiden.

Beim Durch -Encountern meiner frühkindlichen Dramen in Primärgruppen entdeckte ich vielfältige Muster und Verstrickungen. Ich arbeitete an einem neuen Imprint. Aktiv visualisierte ich mich, wie ich entspannt und froh die Pfandgläser aussortiere, die passenden Socken zueinander führe, meine Quittungen abhefte. Aufrecht und mit der geballten Präsenz meines dritten Chakras brachte ich die kritischen Stimmen in mir zum Schweigen. Innerlich leer und zentriert spürte ich in systemischen Aufstellungen die lange Reihe meiner ordentlichen Ahninnen hinter mir. Dies alles fand in aufgeräumten, gut eingerichteten Räumen verschiedener Praxen und Zentren statt. Die hatten es augenscheinlich mit der Ordnung geschafft. Schon entdeckte ich den Dämon des Vergleichens. Zuhause sprang er mich jetzt immer gleich an. Zugleich verstärkte sich auch der spirituelle Druck (oder die Motivation?), zumal in den Tantra-Trainings die ich besuchte, die Rede war von innerer und äußerer Klarheit, von Bewusstheit in allem was ich tue- in allem ! Also auch beim Zuschrauben der Zahnpastatube.

Die Zeiten, als ich neue Freunde mit dem Anblick meiner Küche noch freudig schockierte und mir die Ehrennadel der Rebellin an den schmuddeligen Pullover geheftet hatte, waren vorbei.

Die Stimmen der spirituellen Befreiung hatten die meiner Mutter eingeholt. Oben hui und unten pfui! Ich begann, Ratgeber zu lesen. Ich fragte andere Frauen und Männer aus, ließ mir Schränke und Büroablagen zeigen. Ich begab mich auf eine Visionssuche, bekam spirituellen Beistand durch ein Medium und versöhnte mich in langwierigen open- space- Sitzungen innerlich mit meiner Mutter. Ich nahm Bachblüten und Kügelchen ein, zog Engelkarten, energetisierte mein Wasser, ernährte mich mit strukturierender Nahrung und joggte im aeroben Bereich.

Nur mein Haus- das sah noch genauso aus. Das reimt sich, als ist es wahr.

Heute weiß ich nicht mit Sicherheit zu sagen, ob dies alles notwendig war, um die Ordnung zu erobern. Bei mir führte die langjährige Vorbereitung letztlich zum großen Ereignis, das mich an einem Tag genesen ließ. Es war der Tag, als Shakti persönlich den Wischmopp schulterte und vor meiner Haustür stand. Der Frühlingsmorgen, an dem die Göttin selbst die Mülltonne von Innen auswischte. Bei Sonnenaufgang standen sie vor meiner Tür: Shakti, Kali und Hestia, drei Göttinnen, die für diesen großen Tag in die menschliche Gestalt meiner drei Freundinnen Jutta, Ursa und Astrid geschlüpft waren. Sie hatten sich sehr sexy angezogen- in langen Strümpfen, mit Strapsen und transparenten Kleinigkeiten an ihren wunderbaren weichen Körpern marschierten sie auf, Shakti mit dem Mopp, Hestia trug den Eimer und Kali Räucherschale und Gong. Alle hatten sie Kopftücher und Schürzen umgebunden. Sie sangen das heilige Mantra „ Om mama putze rum“. Meine halbwüchsigen Söhne schlugen stöhnend ihre Zimmertüren zu. Ich war begeistert- ich hatte sie bestellt! An diesem Tag zog der Geist der neuen Zeit in die Kommodenschublade im Flur. Es kam alles an seinen richtigen Ort- innen und außen. „So zeige mir deinen Mist !“ sprach mild die göttliche Hestia und ich führte die drei durch den Schrotthaufen, der sich mein Haushalt nannte.“ Seht her, dieser Schrank enthält alles- vom Puddingpulver bis zur alten Uhutube, von Mäusedreck bis zum teuren Bodyöl.“ „Ja, wir sehen es, welch ein Dreck, welch Durcheinander! Nimm einen tiefen Atemzug. Zeig uns noch mehr von deinem Mist !“ So führte ich sie herum, von den ganz normalen Ecken-Haufen in der Küche („ ich weiß nie, wo ich Blumenvasen hintun soll – dies ist die Allesschublade und im Schrank darunter ist alles, was aus der Schublade schon hinten raus gefallen ist- diese 5 Tüten enthalten einzelne Socken“)- bis zum Büro, vom Flur übers Bad in den Kleiderschrank, keine Ecke blieb verborgen. Om mama putze rum. Sie teilten sich auf. Sie fingen an aufzuräumen. Manchmal rief mich eine herbei. „Was möchtest du mit diesem löchrigen BH tun ? Willst Du den ganzen Baumschmuck behalten? Wo ist dein Putzmittel?“ Jede aufgeräumte Ecke wurde von Kali beweihräuchert. Von Zeit zu Zeit schlug sie den Gong und alle hielten innen. Kali fragte mit lauter Stimme, so dass es im ganzen Haus zu hören war: “ Wo auch immer du gerade bist, halte inne. Wie geht es dir? Spürst Du deinen Körper? Wie fühlt sich das an ? Lass dich tief atmen. Spür die Erde unter deinen Füßen.“ Gong und es ging weiter. Es wurde alles, jeder Winkel, durchforstet, entrümpelt und ausgewischt. Drei Kartons mit leicht defektem Porzellan- ich wollte das irgendwann mal kleben- wurden höheren Zwecken zugeführt. Shakti schrie wie eine Club- Animateurin: „Wem widmest Du diese alte kaputte Vase hier?“ „Halt, die hab ich doch von meiner lieben Oma“, wandte ich zaghaft ein. Kali fixierte mich mit feurigem Blick. „ Okay, ich schenke sie dem Frieden in der Welt“ schrie ich, ebenfalls sportlich, zurück. „Ja, für den Frieden! Ich setze jetzt ihre Energie frei“, rief Kali kalt und göttlich, „Drei , zwei , eins, zero“ nahm das Erbstück und zerschmetterte es in tausend Stücke.

Auf diese Weise wurden einige gute Projekte unterstützt. In der Garage bekam ich den ersten Heulkrampf, mein inneres Kind fühlte sich überwältigt von soviel Weiber- Putz- Energie. Ich kam in die Mitte des göttlichen Trios, Hestia hinter mir, „Sprich es aus" , ermunterte sie mich warmherzig, „soviel alter Kinderschmerz in dir, ja, erzähl uns davon.“ Ich redete und weinte mich in eine mittlere Katharsis hinein, die dann beim Anblick meiner alten Puppe Susanne, die nur noch aus Kopf und Rumpf bestand, einen kraftvollen Höhepunkt fand. In weihevoller Prozession begaben wir uns mit ihr in den hinteren Garten und ich schaufelte ein Grab, gab den alten Kinderschmerz zusammen mit Susanne hinein, die Göttinnen sangen und dann ging es ruckzuck weiter. Das Bad. Unter der Treppe. „Kali, gib uns einen Gong“ Wieder hielten wir inne. Es fühlte sich angestrengt an. Hestia forderte und auf, den Putzmodus unserer Mütter wahrzunehmen, den auch wir in uns gespeichert haben. Die Energie dieser Kriegskinder, der Wiederaufbaufrauen, den Stress der weiblichen Alltagsseite des Wirtschaftswunders, den Anti-Bazillenkampf. Ja, da war es, sehr deutlich. Die gebeugte Haltung, der saure Schweiß, der schmerzende Ischias, die harte Nackenpartie, die angespannte Stirn. Dahinter Glaubenssätze: -es muss perfekt sein- wenn man sich nicht quält ist es keine Arbeit- von nix kommt nix- oben hui und unten pfui-. Wir sprachen sie ins alte Wischwasser und es wurde schwungvoll von Shakti weggeschüttet, raus aus dem Haus, vor die Tür ! Der Rest aus den Körpern ausgeschüttelt, „ja, lasst auch die Stimme los, damit die Welt das hört“, cheerleaderte Shakti- sie war damals beim Schüleraustausch in Amiland gewesen. Als die drei am Abend fertig waren, hatte ich ein anderes Haus. Es war sinnvoll eingerichtet, sauber und klar- alle Dinge hatten ihren Platz. Ich selbst fühlte mich für einen Moment geheilt vom alten arithmastenischen Wahnsinn. Mein Haus ist jetzt hui. Doch das vernetzte Gehirn arbeitet schon daran, eine Geschichte daraus zu stricken. Sollte ich Om mama putze rum- workshops geben? Oder ein Gesellschaftsspiel entwickeln ? Wo sind denn eigentlich die Aufzeichnungen, die ich gleich am Abend noch gemacht hatte ? Es war ein grüner Zettel, das weiß ich noch. Vielleicht in der Schublade, die damals noch Allesschublade hieß? Ich könnte auch im Auto mal nachsehen. Unter der Fußmatte. Solche Situationen meistere ich jetzt ganz gelassen. Und wenn es mal Probleme gibt, dann kommen sie noch mal, die drei. Om mama putze rum.

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